„Der Umstieg in die weitaus leistungsstärkere Supersportklasse war der richtige Weg.“ Davon ist Micky Winkler fest überzeugt. Die diesjährige Motorradrennsportsaison war für den Schleizer mit vielen lichten Momenten, aber auch mit einigen brenzligen Situationen behaftet. Der 20-Jährige plaudert über schnelle Rundenzeiten, einer hinderlichen Lederkombi, haarsträubenden Unfällen und einen Problem-Nagel.
Micky, wertest du die Saison 2022 als ein Erfolg?
Unter dem Strich – ja. Wenngleich ich die Saison teilen muss. Die bessere erste Hälfte überwiegt in diesen Fall den weniger erfreulichen zweiten Teil.
Der Reihe nach. Der Umstieg vom leichteren 300er-Bike auf die merklich kraftvollere Supersportmaschine fiel dir leicht?
Ich hatte keine größeren Anpassungsprobleme. Klar bedurfte es Änderungen im Fahrstil. Das ist ein normaler Lernprozess, den ich auch noch nicht als abgeschlossen bewerte. Aber mit jeder gefahrenen Runde lief es besser. Leider waren es zu wenig Testrunden, die ich im Winter drehen konnte. Ich hätte das Motorrad vor dem ersten Rennen gerne noch besser kennengelernt.
Dennoch lasen sich die Ergebnisse nach den ersten Rennen durchaus vielversprechend.
Ich konnte meine Zielstellung, den Top Ten so nah wie möglich zu kommen, immer realisieren. Entscheidender für mich und dem Team war die kontinuierlich ansteigende Lernkurve. Es war eine klare Entwicklungsrichtung zu erkennen: Ich wurde immer schneller.
Nach dem erfolgreichen Auftakt auf dem Lausitzring und in Oschersleben folgte im zweiten Lauf in Most der erste Dämpfer.
Ein ziemlich heftiger Unfall, für den ich nichts konnte. Ein Konkurrent hatte sich völlig überschätzt und ist mir mit hohem Tempo ins Motorrad gefahren. Ich habe die Situation zum Glück adaptiert und konnte mich auf dem Aufprall vorbereiten, sodass ich unverletzt blieb.
Auch beim Heimrennen auf dem Schleizer Dreieck lief es nicht nach deinen Vorstellungen.
In Schleiz ist die persönliche Erwartungshaltung natürlich immer etwas ausgeprägter. Insofern bezeichne ich die beiden Rennen auch als enttäuschend, obwohl ich beide Male in die Punkteränge fahren konnte. Das Dreieck ist ein unheimlich anstrengender Kurs. Als hinderlich erwies sich meine damals neu erhaltene Lederkombi, die noch nicht perfekt passte. Die dadurch resultierenden leichten Bewegungseinschränkungen reichten, um meinen Muskelapparat neben den üblichen Belastungen nochmals weiter zu strapazieren, was nicht sonderlich förderlich war.
Als dein bestes Wochenende bezeichnest du die anschließende Veranstaltung in den Niederlanden.
In Assen habe ich mich das erste Mal vom reinen Speed her richtig wohlgefühlt. Das spiegelte sich zwar durch die vielen einheimischen Gaststarter nicht in den Ergebnissen ganz wider, aber ich konnte mit den ganz schnellen Jungs problemlos mithalten.
Was hat der schwere Unfall auf dem Red Bull Ring mit dir gemacht?
Rennfahrerrisiko! Ich bin mir bewusst, dass trotz aller Sicherheitsvorkehrungen immer ein gewisses Restrisiko in unseren Sport mitfahren wird.
Was ist von diesem haarsträubenden Unfall in Erinnerung geblieben?
Ich bin mit Tempo 240 die Zielgerade hinaufgefahren und habe beim Anbremsen ins Leere gegriffen. Dann blieben mir noch zwei, drei Sekunden zu reagieren. Ich habe überlegt abzuspringen, was ich gelassen habe. Es ging dann nur noch darum, den Winkel beim Einschlag in die Airfences möglichst positiv zu gestalten. Ich bin gemeinsam mit dem Motorrad in die Luftkissen eingeschlagen und unter meiner Maschine zum Liegen gekommen. Danach war ich kurz bewusstlos. Ich bin wieder zu mir gekommen, als die Streckenmarshalls mein Motorrad angehoben haben. Sicherheitshalber habe ich eine Nacht im Krankenhaus verbracht. Mein Körper hat zwei Wochen lang überall wehgetan, aber ich hatte mir glücklicherweise nichts getan.
Bezeichnest du diesen Unfall als den Schlimmsten in deiner sportlichen Karriere?
Auf jeden Fall den schnellsten. Ich bin unheimlich dankbar, diesen Abflug ohne größere Blessuren überstanden zu haben. Ich bin mir diesen glücklichen Umstand vollauf bewusst.
Die Sturzursache ist mittlerweile ausgewertet worden?
Ein mechanisches Problem an der Bremse.
Auch die letzte Runde der IDM in Hockenheim war nicht von Erfolg gekrönt.
Ich wollte dort unbedingt fahren und habe mir die Erlaubnis von den Ärzten eingeholt. Ich war auch im Training richtig flott unterwegs. Manche behaupteten sogar, ich wäre besser gefahren, als vor meinem Unfall. In der heißen Trainingsphase wurde ich, ohne etwas anderes als in den Runden zuvor gemacht zu haben, mit einem wilden Highsider vom Motorrad geworfen. Meine eigene Krankenvorgeschichte und der tödliche Unfall des Rennfahrerkollegen am Vortag verstärkten meine Entscheidung, auf beide Rennen zu verzichten.
Du bist dann noch zum Abschluss dein erstes Langstreckenrennen gefahren. Wie wichtig war das für deinen Kopf.
Enorm wichtig. Ich wollte die Saison nicht von Rückschlägen geprägt beenden und es vor allem mir beweisen, dass ich weiterhin in der Lage bin, ein Motorrad schnell um die Ecken zu bewegen. Das hat wunderbar funktioniert. Ich bin mit einem Lächeln vom Motorrad gestiegen. Der Ausflug, der nicht der letzte in diese Szene gewesen sein muss, hat mir die Bestätigung und neue Motivation für die anstehenden Aufgaben geliefert.
Welche Planungen hast du für das nächste Jahr schon anschieben können?
Eine schwierige Situation. Im Moment gibt es noch nichts Spruchreifes zu vermelden. Ich habe aktuell zwei Optionen auf dem Tisch liegen, aber wie immer ist das an finanziellen Bedingungen geknüpft, die ich versuche zu erfüllen. Eine Alternative zur IDM Supersport ist nur schwer vorstellbar. Im schlimmsten Fall muss ich ein Jahr pausieren, was ich aber unbedingt vermeiden möchte.
Es gibt in deinem Oberschenkel noch immer das metallische „Erinnerungsstück“ von Ihren Schleiz-Unfall aus dem Jahr 2019.
Der Nagel hätte eigentlich schon längst entfernt sein sollen. Aber beim ersten Anlauf scheiterte es an einen passenden Bohrer. Jetzt gibt es Probleme mit den Terminen bei den Ärzten. Ich kann das aber nur im Winter machen lassen, da ich nach der Entfernung vernünftigerweise drei Monate ohne Motorradfahren auskommen muss. Eine OP müsste also jetzt zeitnah passieren, um zur Saisonvorbereitung wieder fit zu sein. Ich suche einen Arzt. Der Nagel selbst stellt weder im Alltag noch beim Motorradfahren ein Hindernis dar, könnte also theoretisch noch ein Jahr drin bleiben. Aber irgendwann muss das Ding logischerweise raus.